Arbeitsplätze, und nach einem natürlich gerechten Sieg könnte man ja die sozialdemokratische Mission unter viel besseren Bedingungen fortsetzen. Und in der Donaumonarchie tönten ausgerechnet die Deutschnationalen, der bröselnde Vielvölkerstaat ließe sich ,,durch eine große Aufgabe wieder zusammenschmieden”. Und wenn es eine Vorsehung gibt, ist sie gehässig, denn der deutsche Kaiser war ein Krüppel mit Minderwertigkeitskomplexen, der dem Gekrächze eins draufsetzte, und der österreichische eine unterbelichtete Senilität, der nur Bahnhof verstand. Diesmal hieß er Sarajevo. Den Rest hat man gelegentlich gehört.
Und wo waren die Kiffer geblieben? Man redete nicht mehr über sie. Wozu denn auch, wo doch in den Schützengräben so feine Sachen wie das Heldenmittel Heroin, der bürgerliche Fitmacher Amphetamin oder das großbürgerliche Kokain ihre Demokratisierung erlebt hatten. Das Zeug war out, megaout
Gütersloh erzählte, wie das in der Praxis aussah. An Importe war aufgrund der Zahlungsschwäche natürlich nicht zu denken, und die Tabakregie hatte schon gleich nach Kriegsbeginn ihre gestrichen. Ungarn war ein eigenes Land geworden, und man konnte, so man einen Paß hatte, dort einkaufen, oder man wurde auf diesem Weg bedealt. Wurde das ruchbar, bekam man zu hören: „Dieses Engländerzeug!”, denn dort, wo es ursprünglich her kam, war nun britisches Protektorat, und daß man dasselbe auch im eigenen Lande züchten könne, war fast vergessen.
Fast, denn Herbert Tichy, Jahrgang 1912 und Liebhaber des Hanfs seit 1929, betätigte sich bis 1932 als Hobbygärtner im Weinberg eines Onkels. Dann aber packte ihn die Sehnsucht nach dem wirklichen Zeug, und den Großteil seines Lebens verbrachte er dann auch in Asien, wo er nicht nur Hitler versäumte.
Nicht vergessen werden sollte ein weltgeschichtliches Kriegsepisödchen aus der neutralen Schweiz. In Zürichs Spiegelgasse, wo schon der deutsche Möchtedochrevoluzzer Büchner verstorben war und Lenin gerade von der großen Revolution träumte, plante ein fröhliches Völkchen von Kriegsflüchtigen die Revolution der Kultur. Die hieß DADA, und ihr Nebentreibstoff qualmte so heftig, daß ein Abgeordneter der Freisinnigen im Rathaus anfragte, ob das Zeug nicht doch gefährlich sei. Darüber aber lagen keine gesicherten Erkenntnisse vor.
Nichts genaues wußte man auch in der „Republik wider Willen”, wie Tucholsky die Weimarer genannt hatte. Man wußte, daß der Stoff unter „Künstlern” kursierte, auch unter Linken, die aber nicht in der KPD sein durften, obwohl das Zeug meist aus der Sowjetunion kam, und hatte im übrigen andere Sorgen. Im Verhältnis beispielsweise zu Opiaten war er richtig aus der Mode gekommen, und nicht einmal die Mäßigkeitsvereine, die schon zu Kaisers Zeiten nach staatlichen Maßnahmen gewimmert hatten, kümmerten sich darum. Das Zeug war exotisch, sicher, aber sonst? An das Jahrhundert davor wollten sich die gerade modernen Leutchen auch nicht erinnern – hatte es ihnen nicht ein gräßliches Erbe hinterlassen? Lobbies steckten noch in den Kinderschuhen, und Drittmittel für Forschung gab es noch gar nicht. Die Firma Merck ließ etwas lustlos forschen, kam zu lustlosen Ergebnissen, und die Wirtschaftskrise 1929 schuf wieder neue Wirklichkeiten.
Die Sache war in den Schatten geraten, zur Fußnote einer Fußnote verkommen. Natürlich konnte man noch Ehrentafeln füllen mit den Namen derer, die hatten und darüber auch noch schrieben, aber Stein und Arbeit brauchte man für anderes. Kaum ein Leser interessierte sich dafür, was Herrn Benjamin in Marseille widerfahren war oder Herrn Hesse, der den Rauch mit Prüderie garnierte; und daß man in den USA den Stoff gerade zum Gesellschaftsproblem stilisieren wollte, wurde nur achselzuckend zur Kenntnis genommen. Cannabis indica, wie man das Zeug nannte, war irgendwas vergessenes, und als 1928 eine Reform des Apothekengesetzes anstand, setzte man es unter die apotheken- und verschreibungspflichtigen Substanzen, ohne sich weiter darum zu kümmern.
Das erfuhr man nur aus der guten, alten Vossischen, denn die anderen Zeitungen kümmerten sich um anderes. Die Zeiten waren hart und darüber hinaus noch von den Kommunisten bedroht Die gesamte Welt hatte was gegen die Deutschen, Stichwort